Mittwoch, 4. Februar 2015

Nachtrag - Mumbai u.a.

Nachtrag: Seit einigen Tagen zu Hause. Den Koffer ausgepackt, einen Wäscheberg gebaut. Die neuen (indischen) Dinge auf dem Bett ausgebreitet, mich gewundert. In den mitgebrachten Büchern geblättert, gelesen. Mit meinen Fotos aus Indien gespielt, versucht, die Erinnerung zu verlängern, zu intensivieren. Der Versuch, mein Leben hier mit den Erfahrungen in Indien zusammenzubringen. Ein Gefühl der Unwirklichkeit, der Unwirschheit auch, als ich mit dem Fahrrad durch ein Schneegestöber radelte. Natürlich möchte man, dass sich die indischen Erlebnisse irgendwo manifestieren, dass sich irgendwo ein Zünglein an der Waage verschoben hat, aber diese Dinge sind schwer festzumachen, man muss darauf vertrauen, dass eine unterirdische Veränderung stattfindet, dass es tatsächlich möglich ist, Erfahrungen "in seinem Herzen" mit sich herumzutragen.

Einige Erinnerungen an Mumbai:
Wir ließen uns von dem katzenliebenden Taxifahrer drei Stunden in der Stadt herumfahren. Sein Auto war ziemlich heruntergekommen und seine Klamotten auch, und nach eine Weile begriffen wir, dass er wahrscheinlich im Auto lebt. Es wurde schnell klar, dass er eigentlich auf glühenden Kohlen saß, da sein Neffe am selben Tag heiratete und er bei den Hochzeitsfeierlichkeiten dabei sein wollte (aber gleichzeitig nicht auf das Geld verzichten, das eine Fahrt mit uns für ihn versprach). Also fuhr er uns ein wenig halbherzig herum, wies uns links und rechts auf Sehenswürdigkeiten hin. Als wir nach einem kleinen Ausflug in eine Gartenanlage zurück zum Auto kamen, war unser Chauffeur plötzlich verschwunden, das Auto aber stand da. Nach gut zwanzig Minuten (in denen wir schon alle möglichen Ursachen seines Verschwindens durchgespielt hatten) tauchte er schließlich in aller Seelenruhe mit feuchtem Haar aus einer öffentlichen Toilette auf. Anscheinend hatte er sich für die Hochzeit frisch gemacht, versuchte uns aber weiszumachen, dass auf dem Klo eine laaaange Schlange gewesen war...

Je näher wir dem Ende unserer Rundfahrt kamen, desto weinerlicher wurde er - erzählte davon, dass er einen schlechten Ruf bei den Hotelangestellten habe, die ihm unterstellen, dass er ein Schlitzohr ist und ihm deshalb keine Aufträge geben wollen. Psychologisch war es natürlich extrem unklug von ihm, uns diese Information zu geben, zumal er auch plötzlich für die Sightseeingtour einen höheren Preis nannte als den, über den wir uns am Tag zuvor geeinigt hatten. Wir gaben ihm trotzdem ein königliches Trinkgeld, damit er sich für die Hochzeitsfeier neue Klamotten kaufen konnte. Nun ja, die Fahrt war zwar nicht berauschend, aber wir haben trotzdem etwas von Mumbai gesehen, u.a. das Gandhi-Gedenkhaus, einen Wassertank, der in der Mythologie von einer Quelle stammt, die Rama (im Ramajana) mit seinem Pfeil geöffnet hat. Wir sahen auch das teuerste Wohnhaus der Welt, das der Chef von dem Reliance India (Mobilnetz-Betreiber) für sich und seine Familie hat bauen lassen, ein Wolkenkratzer für eine vierköpfige Familie und ihre 300 (600)? Bediensteten. Später las ich zu Hause nach, dass die Familie angeblich nie in das Haus eingezogen ist - wegen der ungünstigen Feng Shui-Werte ("Vasthu" in Indien). Außerdem machten wir an einer Wäscherei halt, die offensichtlich auch in die Touristenattraktionen eingeht, da bereits Horden von Touristen die riesige Anlage fotografierten, in der Männer und Frauen unter freiem Himmel in unzähligen Betonbottichen Wäsche wuschen. An ebenso unzähligen Wäscheleinen hingen Jeans an Jeans und Bettlaken an Bettlaken, und wir waren sicher nicht die einzigen, die sich fragten, wie die Organisation dieser enormen Wäschemenge vor sich ging.

Am Nachmittag holte ich dann beim Optiker die Brillen ab, die ich bestellt hatte und muss inzwischen konstatieren, dass sich wieder einmal bewahrheitet hat, dass "billig gekauft teuer gekauft" ist. Das gilt vor allem für die Sonnenbrille. Der Optiker hat nämlich eine krachig blaue Farbe für die Gläser gewählt, die mich total schockierte. Nachdem ich jetzt herumgegoogelt habe, habe ich außerdem erfahren, dass Blau als Sonnenbrillenfarbe umstritten ist. Vor allem rät man davon ab, blaue Gläser beim Autofahren zu verwenden (und dafür hatte ich die Brille ja in erster Linie gedacht), weil sie Farben verfälschen können. Außerdem ist das Gestell für eine Sonnenbrille auch etwas zu klein. Daran habe ich nicht gedacht, und dem Optiker war es offensichtlich egal. Es kommt also ziemlich viel Streulicht von oben und von den Seiten hinein. Naja, es wird sich zeigen, ob das Ding jemals zur Anwendung kommt. Mit der anderen Brille bin ich einigermaßen zufrieden. Ich habe allerdings im Allgemeinen eine Tendenz, bei neu gekauften Dingen Haare in der Suppe zu finden und gerate dann in eine überdimensionale Aufregung, die sich in der Regeln nach ein paar Tagen legt. Eigentlich sollte ich so wenig wie möglich kaufen, wenn ich mir meinen Seelenfrieden bewahren will...

Wir liefen noch eine Weile durch die Gegend um den Brillenladen, auf der Suche nach einer bestimmten Medizin, die wir einer indischen Freundin in Schweden versprochen hatten. Da wir überall die gleiche Antwort bekamen ("not available"), kamen wir dabei ziemlich weit herum und landeten sogar im "Mumbai Hospital" und der dort befindlichen Apotheke. Wir gingen durch Straßen, in denen ein Geschäft neben dem anderen ätherische Öle verkaufte. Dann wieder kamen kamen wir an einer Reihe von Läden vorbei, in denen medizinische Hilfsmittel verkauft wurden, bogen um die Ecke, um uns im Lederviertel wiederzufinden, wir fragten uns von einer Apotheke "Medical" zur nächsten, gaben aber schließlich auf und ließen uns von einem Taxi nach Hause bringen.

Am Abend machten wir ein kleines Ritual vor unserem Hotel, das ich dem Film "Darjeeling Limited" abgeguckt habe. Da wir keine Pfauenfedern hatten, nahmen wir ein paar vertrocknete Blätter, die ich hinter dem Haus vom Boden aufgeklaubt und unter einem Wasserhahn gewaschen hatte. Als Stein nahm ich ein Stück Bruchstein vom Gehsteig. Das Ritual sollte etwas chaotisch sein, das war ein Teil der Choreographie. Wir machten selbst erfundene Bewegungen und bliesen dann viermal auf unser Blatt, einmal in jede Himmelsrichtung. Dann legten wir die Blätter unter den Stein und berührten unsere Augen und unseren Scheitel, wie bei einer Puja.


Ende der Reise.

Mann und Katze in Mumbai

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